Bundesaußenministerin Baerbock forderte beim EU-Außenministertreffen, die Themen nach den Wahlen in der Türkei aus strategischer Perspektive zu diskutieren und sagte: „Wir sind nicht naiv“, was den EU-Prozess angeht.
Beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel wurde auf Wunsch Deutschlands über die Zukunft der Beziehungen mit der Türkei gesprochen. Bei dem Treffen sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, dass die EU ihre Beziehungen zur Türkei überdenken sollte.
Baerbock bezeichnete die Türkei als „direkten Nachbarn der EU, der nicht einfach ist, aber von globaler strategischer Bedeutung“ und betonte, dass die Zusammenarbeit mit der Türkei nach den Wahlen in der Türkei im Mai strategisch überdacht werden müsse.
Der deutsche Außenminister wies auch darauf hin, dass die Türkei weit davon entfernt sei, ein Rechtsstaat zu sein und die Menschenrechte zu achten, und betonte, dass „sie nicht naiv sind und man Ankara keine ‚Geschenke‘ machen kann, nur weil wir eine schwierige Zeit durchmachen.“
Baerbock erklärte, dass die Verhandlungen mit der EU, deren Wiederaufnahme der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan gefordert habe, aufgrund von Defiziten in grundlegenden Fragen wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten „tief auf Eis“ seien.
Auf dem EU-Gipfeltreffen am 29. und 30. Juni schlug Deutschland vor, eine Wiederbelebung der Beziehungen zwischen der Türkei und der EU anzustreben. Daraufhin wurde auf dem Gipfel beschlossen, dass der EU-Ausschuss einen Bericht mit strategischen und künftigen Schritten für Ankara erstellen wird.
„Die EU-Mitgliedschaft kann nicht noch einen Schritt weiter gehen, während Menschenrechtsverteidiger im Gefängnis liegen.“
Auch der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn betonte beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel, dass die Türkei nach der Kündigung des Getreidekorridorabkommens das einzige Land sei, das in dieser Frage Druck auf Russland ausüben könne. Andererseits sagte Asselborn auch: „Während Menschenrechtsverteidiger im Gefängnis liegen, darf die Frage der EU-Mitgliedschaft keinen Zentimeter vorankommen.“
Ein weiterer Haken: Zypern
Auch Konstantinos Kombos, Außenminister des EU-Mitgliedstaates Republik Zypern, erklärte, dass eine mögliche Annäherung zwischen der Türkei und der EU von möglichen Fortschritten bei den Verhandlungen zur Zypern-Frage abhängt und sagte: „Wir gehen davon aus, dass die Verhandlungen dazu führen werden.“ Das Zypern-Problem schnell wieder in Angriff nehmen.“ Mit der Begründung, dass der nördliche Teil Zyperns seit 49 Jahren von der türkischen Armee besetzt sei, sagte der griechische Minister: „Das muss ein Ende haben.“
Während die 1983 erklärte Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) weltweit nur von der Türkei anerkannt wird, wurde die Republik Zypern, die de facto nur im Süden der Insel über Souveränität verfügt, in die EU aufgenommen 2004.
Erdoğan brachte das Thema erneut auf die Tagesordnung
Vor seiner Abreise zum NATO-Gipfel, der am 11. und 12. Juli in der litauischen Hauptstadt Vilnius stattfand, forderte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, dass die de facto eingefrorenen Verhandlungen zwischen der Türkei und der EU wieder aufgenommen werden, um Schwedens Mitgliedschaft in der NATO zu genehmigen. Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte, dass die beiden Themen nicht miteinander verknüpft werden könnten, gab jedoch die Botschaft bekannt, dass Deutschland an einer Wiederbelebung der Beziehungen zwischen der Türkei und der EU arbeite.
Bemerkenswert ist, dass auch der Türkei-Bericht, den der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments diese Woche angenommen hat, recht kritisch ist. In dem Bericht, der dem Parlament im Herbst vorgelegt werden soll, wurde einerseits die Türkei als strategisch wichtiger Partner hervorgehoben und es hieß, dass die Zusammenarbeit bei Flüchtlingen und die Unterstützung beim Wiederaufbau nach dem Erdbeben fortgesetzt werden sollte, andererseits wurde die Entwicklung eines weiteren Partners gefordert Es wurde Wert auf ein Format anstelle von Vollmitgliedschaftsverhandlungen gelegt.
Die Europäische Union hat die 2005 begonnenen Vollbeitrittsverhandlungen mit Ankara im Jahr 2018 offiziell eingestellt. Als Grund für diese Entscheidung nannte die EU die Massenverhaftungen, Strafverfolgungen und Rechtsverletzungen gegen alle Oppositionsgruppen in der Türkei nach dem 15. Juli 2016.
T24